02Mai
2013

Per Anhalter durch die Galaxis … äh … Neuseeland

Der Franz Josef Gletscher

Wie im letzten Beitrag schon angedeutet, musste ich mir etwas einfallen lassen, um aus Wanaka weg und an die Westküste der Südinsel zu kommen. Natürlich hätte ich noch eine Nacht dort verbringen und am nächsten Tag den Bus nehmen können, aber man kann ja mal schauen, ob es auch anders funktioniert. Und zwar in der Version, sich mit einem Pappschild an den Straßenrand zu stellen und zu sehen, ob denn jemand anhält und einen mitnimmt. Gesagt, getan. Ich hatte mir aus dem Papiermüll eine Pappe organisiert und einen Edding hatte ich eh dabei. Also schrieb ich mutig Franz Josef Gletscher auf meine Pappe und stellte mich an die Ortsausgangsstraße. Von einer anderen Touristin wusste ich, dass ich spätestens 15:30 Uhr aufgeben sollte, wenn bis dahin keiner angehalten hätte, weil sonst die Chancen noch geringer wären und es dann auch dunkel sein, würde ehe man in die Nähe des Zielortes käme – das ist dann also eine Überlegung, die man selbst machen muss.

Prinzipiell ist Neuseeland DAS Land für's per Anhalter fahren. Wenn es irgendwo sicher ist, dann hier. Trotz allem gab es natürlich auch hier in der Vergangenheit den ein oder anderen unschönen Zwischenfall. Welchen Tip bekommt man von anderen Touristen, die eventuell auch mit ein bisschen Bedenken so etwas machen? Man sollte irgendetwas zur Verteidigung haben. Wenn man Kampfsport kann, super, wenn nicht, dann vielleicht was anderes. Da ich mein Pfefferspray aufgrund gewisser Geschichten in Kolumbien los war, blieb nur Plan B: Taschenmesser in der Tasche und alles Wichtige im kleinen Rucksack, dass man im Notfall schnell flüchten kann.

Das klingt jetzt alles hochdramatisch, war es aber nicht. Das waren nur ein paar kleine Sicherheitsmaßnahmen meinerseits und wahrscheinlich hätte ich die nicht mal gebraucht. Ich hab mich damit allerdings sicherer gefühlt. :)

Also zurück an die Straße! Es dauerte eine halbe Stunde, dann hielt eine Neuseeländerin und meinte, sie könne mich bis Hawea mitnehmen, was ein sehr kleines Dorf an der einzigen Straße zur Westküste ist, wo ich eh hin wollte. Sie sagte mir auch gleich, dass, wenn mich keiner an dem Tag weiter mitnehmen würde, es dort ein Hotel, ein Motel sowie einen Campingplatz mit Hütten gäbe. Also wäre für Unterkunft gesorgt und das reichte mir. Auf ging es bis Hawea, was etwa 15 Minuten waren. Dort stand ich dann wieder am Straßenrand und es dämmerte mir, dass ich definitiv nicht bis Franz Josef kommen würde, weil das doch noch eine ganz schöne Strecke gewesen wäre. Die Alternative war Haast, was ein bisschen näher war. Während ich hoffte, dass vielleicht doch noch jemand käme, hielt schon mal der Besitzer des Campingplatzes neben mir an und meinte, dass, wenn bis in einer halben Stunde niemand gekommen wäre, wir uns 50 Meter die Straße runter bei ihm wiedersehen würden. Sehr witzig.

Schafe an der Straße in Hawea So sieht das Ganze dann aus dem Auto aus, wenn man gern vorbei möchte...

Letztlich hatte ich doch noch Glück und ein Österreicher nahm mich mit nach Haast. Dort verbrachte ich die Nacht im Wilderness Backpackers, was die einzige Unterkunft in dem etwa 15 Häuser umfassenden Dorf ist. Wie es der Zufall wollte, ging es für den Österreicher am nächsten Tag bis zum Copland Track, einem Wanderweg, der bei heißen Quellen endet und unglaublich schön sein soll. Ich hatte nur nicht die Zeit, den auch noch zu machen, da ich so viel anderes noch sehen will. Wie dem auch sei, er nahm mich mit bis zum Beginn des Weges. Ich wusste, dass das in der Mitte vom Nirgendwo war, aber das Gute daran, wenn es nur genau eine Straße die Westküste hinauf gibt, ist, dass alle Touristen da lang kommen müssen und irgendeiner davon hält mit Sicherheit an. In meinem Fall fuhren schon die ganze Zeit zwei Wohnwagen hinter uns her und die Schweizer nahmen mich dann auch gern bis Franz Josef mit.

Neuseeland hat einige Gletscher, die natürlich bei weitem nicht so beeindruckend wie vielleicht in Skandinavien oder Kanada sind, aber trotzdem ganz nett. Man kann Gletscherwanderungen, Helikopterflüge und Kombinationen aus beidem machen. Oder man kann einfach selbst zum Fuß des Gletschers laufen. Das habe ich dann gemacht, da der Teil, den man normalerweise mit einer geführten Tour hätte von unten erreichen können, derzeit leider gesperrt ist. Der Bereich ist zu unsicher, da Teile davon geschmolzen sind. Also ging es eine Stunde zum Gletscher hin, dann dort eine anderthalb Stunden Runde und wieder eine Stunde zurück. Damit hatte ich mein etwa 11km Soll für den Tag erfüllt. Da ich alles gesehen hatte, was ich wollte, und es wieder keinen Nachmittagsbus gab, stellte ich mich mutig ein weiteres Mal an die Straße und hatte Greymouth auf meiner Pappe stehen. Nach fast einer Stunde hielt dann ein Neuseeländer, der meinte, er könne mich bis Hokitika mitnehmen, was etwa 50km vor Greymouth liegt. Das klang gut, also auf ging es.

Sandy Beach auf dem Weg nach Franz Josef Ein erster Blick auf den Gletscher Franz Josef Das riesige Flussbett vor dem Gletscher Der Franz Josef in ganzer Größe (ja, er ist ziemlich klein und wird auch von Jahr zu Jahr kleiner) Graues Gletscherwasser aufgrund des Steinsandes, den der Fluss auswäscht

Während der Fahrten als Anhalter hat man die Chance, sich gut mit den Leuten zu unterhalten. Meist ist das auch kein Problem, aber es kann natürlich sein, dass man sich nichts zu sagen hat. Ich hatte in der Hinsicht jedes mal Glück. Der Neuseeländer beispielsweise hatte einen richtig guten Tag und wir sind so super klargekommen, dass er meinte, er könnte mich am nächsten Tag mit nach Christchurch mitnehmen, wenn ich das wollte. Hm, eigentlich lag das nicht ganz auf meiner Strecke, weil das ja hieß, wieder nach Osten zu fahren. Im Endeffekt ist es jedoch vollkommen egal über welchen Weg ich nach Norden komme, da es auf beiden Seiten der Südinsel Dinge gibt, die ich gern tun würde. Also dachte ich darüber eine Weile nach und warf meine bisherige Planung über den Haufen. Vielleicht war es auch einfach nur eine Flucht vor dem angekündigten Regenwetter an der Westküste. ;)

Das Ende vom Lied jedenfalls war, dass ich für die Nacht im Beachfront Hotel unter kam, weil der Neuseeländer das als seine gute Tat des Tages betrachtete. Das war ganz witzig, weil ich ja seit über einem Monat nur Hostels und Wanderhütten gewohnt bin. Wer kriegt schon Handtücher gestellt??? Es war jedenfalls ganz schön. Für alle, die jetzt meinen, dass so etwas gefährlich sein kann: Sicherlich. Meine Sicherheit war, dass ich per e-mail alle Infos, die ich zu dem Neuseeländer hatte (vollständiger Name, Wohnort, Arbeitsplatz, Nummernschild, Hotel und Zimmernummer), nach Hause geschickt hatte mit der Ankündigung, mich zu melden, sobald ich in Christchurch angekommen wäre. Das hat dann auch sehr gut geklappt.

Die Fahrt von Hokitika nach Christchurch führt einmal mehr quer durch die Südlichen Alpen und man kann der Vegetation beim sich Ändern zuschauen: Von Regenwald über Busch- bis letztlich zu Gras- und Feldlandschaften. Erst geht es serpentinenartig zu Arthur's Pass hoch und dann genauso wieder runter. Die andere Seite der Südlichen Alpen war dann unglaublich schön und anders. Die Landschaft war hügelig und überwiegend hellbraun und gelb. Als Herr der Ringe Fan denkt man gleich an Edoras und sucht die nicht mehr vorhandene Meduseld. Nur am Rande: Sobald ich im Hostel war, fand ich dann auch die Herr der Ringe Tourangebote für Edoras. Ich hatte also richtig geraten. ;)

Christchurch selbst liegt dann in einer Region, die einfach nur als flach zu bezeichnen ist. Nach fast zwei Wochen im Süden der Südinsel und in den Südlichen Alpen, ist das sehr ungewohnt. Hinzu kommt, dass Christchurch 2011 von einem Erdbeben so gut wie dem Erdboden gleich gemacht wurde. Viel gibt es also nicht mehr zu sehen, auch wenn es heißt, dass die Stadt mal eine der Schönsten war, die Neuseeland hatte. Jetzt sind viele Teile einfach mit Zäunen abgetrennt, viele Flächen leer durch Häuser, die schon abgerissen wurden und lauter rote Schilder weisen einen darauf hin, dass eigentlich alle Häuser im Zentrum einsturzgefährdet sind. Was kann man sich also anschauen? Logischerweise das ganze Ausmaß des Erdbebenschadens, die Versuche, des Wiederaufbaus und der Umgestaltung (es gibt einen Plan, der die Umgestaltung der Innenstadt über die nächsten 15-20 Jahre vorsieht, aber davon ist noch nicht wirklich viel zu sehen), die Überreste der Kathedrale, die Re-Start Mall (ein Einkaufszentrum aus Containern) und den Botanischen Garten. Es gibt auch das Canterbury Museum, ein Museum zu Neuseelands Geschichte. Ansonsten finde ich persönlich, dass es in Christchurch nichts Interessantes gibt und die Stadt auch nicht schön ist, was aber durchaus am Erdbeben liegen kann. Mir jedenfalls hat Christchurch nicht gefallen und ich bin froh, meinen Weg weiter in den Norden machen zu können.

Häuserfront, die durch Container gehalten wird Überreste der Kathedrale Geschlossene Einkaufsstraße Der Versuch einige ältere Häuser vor dem Einsturz zu retten Selber Versuch Im Botanischen Garten Die Re-Start Mall (Containereinkaufszentrum)

Ach ja, ich war im Around the World Backpackers, was ganz okay war. Die Zimmer sind maximal 4er-Zimmer und die Lage ist okay, aber man läuft schon mindestens 15 Minuten, um irgendwohin zu kommen. Der Nachteil an Christchurch ist derzeit, dass es wenige Läden und Restaurants gibt. Wenn man also wirklich was braucht, dann muss man größere Strecken zurücklegen und nach 17 oder 18 Uhr sind die Chancen gut, dass einfach alles zu hat …

Nun ja, kann man nicht ändern. Von Christchurch aus nehme ich wieder den Bus. Das per Anhalter fahren ist ganz witzig, aber ich würde da keinen Sport draus machen. Man muss wirklich flexibel sein und eigentlich immer einen Plan B in der Hinterhand haben (also wissen, wo man die Nacht verbringen kann, wenn man nicht mitgenommen wird). Trotzdem war es eine Erfahrung wert und ich muss zugeben, dass ich beeindruckt war, wie viele Leute einen mitnehmen, auch über größere Entfernungen. Man kann damit Geld sparen (was nicht mein Anliegen war) und man lernt interessante Leute kennen. Kiwis und Touristen sind gleichermaßen aufgeschlossen. Zusammenfassend habe ich fast 500km per Anhalter zurück gelegt: Das macht also 15 Minuten von Wanaka bis Hawea, zwei Stunden von Hawea bis Haast, anderthalb Stunden von Haast bis zum Copland Track, anderthalb Stunden vom Copland Track bis nach Franz Josef, zwei Stunden von Franz Josef bis Hokitika und noch einmal dreieinhalb Stunden von Hokitika bis Christchurch. Wahnsinn! Und trotzdem freue ich mich wieder auf Busfahrten, so seltsam das vielleicht klingen mag.

Also auf weiter Richtung Norden, schließlich muss ich bis nach Picton um die Fähre nach Wellington, meinem ersten Ziel auf der Nordinsel, nehmen zu können. :)

Wieder einmal Herbstfarben (Botanischer Garten)