14Juli
2013

Fünf Leute für ein Rad

Sanimalereien (Main Cave, Giant's Castle)

Wie schon angedeutet, blieben wir in den Drakensbergen, dieses Mal jedoch weiter südlich. Habe ich schon erwähnt, dass die Drakensberge im Englischen witzigerweise Drakensberg heißen? Wenn man dann noch schön den Artikel „the“ davor setzt, bekommt man schnell den Eindruck, dass man nur von einem Berg redet. Böser Trugschluss, wie so einige englischsprachige Reisende schon festgestellt haben. ;)

Giant's Castle war unser nächster Wegpunkt, also auf geht’s! So weit weg kann das ja gar nicht sein – zumindest sah es auf unserer Karte nicht so aus. Auch Mrs. Garmin meinte, dass die Kilometer nicht das Problem seien. Trotzdem waren wir über fünf Stunden im Auto. Wahnsinn. Ja, man kann auf den Autobahnen fahren, wenn man das möchte, aber das sind meist mautpflichtige Straßen und je länger die Strecke, desto mehr geht das ins Geld. Gut, dass man dem Navi beibringen kann, solche Straßen zu meiden. Die Parallelstraßen, also die Landstraßen sind auch in wunderbarem Zustand, man muss also nicht Autobahn fahren, wenn man nicht will.

Als wir endlich ankamen, haben wir zum wiederholten Male feststellen müssen, dass unser linkes Hinterrad irgendwie Luft verloren hatte. Zur Erläuterung: Das hatten wir nach vier Tagen in Bergville schon einmal, also haben wir es an der Tankstelle wieder aufpumpen lassen. Dann noch einmal zwei Tage später und letztlich nochmals bevor wir auf unsere Fahrt nach Giant's Castle gegangen sind. Uns war also schon klar, dass da was im Argen lag, aber wie schlimm, das sollten wir wenig später herausfinden.

Erst einmal hieß es Einchecken. Im Giant's Castle Nature Reserve gibt es nicht viele Optionen, was Unterkünfte angeht, es sei denn, man will täglich zwischen 20 und 50km pro Richtung fahren. Wenn man, wie wir, endlich mal einfach vom Zimmer aus loslaufen will, dann muss man ins Giant's Castle Main Camp. Billig war es definitiv nicht, aber günstiger als erwartet und sogar inklusive Frühstück. Unser erster Bungalow hatte ein Bienennest im Schornstein, weswegen wir noch einmal umgezogen sind. Schön war auch wieder die Episode, als die eine Rezeptionistin noch mal hinterher kam und meinte, sie hätte noch einen anderen Bungalow mit Doppelbett. Ich sollte hierzu sagen, dass mein Bruder Robert und ich grundsätzlich als Paar durchgehen und sobald wir diesen Irrtum aufklären, sind immer alle peinlich berührt. Ebenso die Rezeptionistin, die uns etwas Gutes tun wollte mit einem Doppelbett. :)

Dieser kurze Zeitraum reichte unserem schon angesprochenen linken Hinterrad um vollkommen platt zu werden. Umparken stand also nicht mehr auf dem Plan und Flicken, wie wir eigentlich gedacht hatten, erschien auch nicht mehr sinnvoll. Also blieb unser Auto erst einmal mit schönem Platten genau da, wo es war.

Rettungslos platter Reifen...

Nächster Schritt: Thrifty anrufen und fragen, was man bitte tun soll. Ja, Reserverad drauf machen klingt nach etwas, worauf man selbst kommt, aber uns ging es ja darum, ob wir ein neues Ersatzrad kaufen mussten oder ob wir bei der nächsten Dienststelle eines einsammeln könnten. Nach endlosem Weiterverbinden innerhalb des Callcenters landeten wir bei unserer Vermietung vom Flughafen in Johannesburg. Ein Glück hatten wir uns eine südafrikanische SIM-Karte gekauft und entsprechend einige Minuten zum Telefonieren (hier Airtime genannt), sonst wäre es dank Roaming unglaublich teuer geworden... Wie dem auch sei, der Schlauberger am anderen Ende fragte noch, ob wir jemanden in der Nähe hätten, der uns das Reserverad drauf ziehen könnte und unsere Antwort war logischerweise ja, da es ja den Hausmeister des Resorts gibt, der so etwas mit Sicherheit kann. Im nächsten Atemzug sagt der gute Mann uns dann, dass am nächsten Tag 9 Uhr früh einer da sein würde mit einem neuen Ersatzreifen und zwar extra aus Johannesburg. Man beachte, dass sind mindestens drei Stunden Fahrt pro Richtung. Okay, wir werden nicht diskutieren, wenn Thrifty der Meinung ist, dass das die beste Lösung ist.

Trotz allem waren wir noch eine kleine Runde spazieren gehen (ich weigere mich, dass wandern zu nennen). Wir haben den River Walk Nummer 2 gemacht. Er sollte etwa zwei Stunden dauern, wir waren nach etwa anderthalb wieder zurück. Es hätte sicherlich auch schneller gehen können, wenn wir die Wegbeschreibung nicht falsch verstanden hätten. Nun ja, ein bisschen durch den Busch entlang irgendwelcher unwegsamer Tierpfade hat noch keinem geschadet. Folglich wissen wir aber auch nicht ganz, was wir eigentlich von den 4,5km gelaufen sind, die für diesen Weg angesetzt sind.

Der nächste Tag kam und wir bekommen 8.30 Uhr beim Frühstück einen Anruf aus Johannesburg von einem, der tatsächlich ein bisschen mitdenken kann. Erste Frage: „Wollt ihr wirklich, dass ich komme? Das sind drei Stunden pro Richtung, die Mautgebüren, die Benzinkosten, meine Arbeitsstunden. Das bezahlt alles ihr. Habt ihr nicht jemanden, der euch einfach das Reserverad drauf ziehen kann?“ Äh, ja? Hatten wir doch gestern schon gesagt... Das Ende vom Lied war dann, dass unser Gesprächspartner meinte, dass das die beste Lösung sei und wir eventuell bei einer Thriftyvermietung mal ein neues Ersatzrad holen könnten. So einfach kann's gehen.

Gut, nächstes Ziel des Tages: Jemanden finden, der weiß, wie's funktioniert. Ja, wir hatten keine Ahnung, weil die Schlauberger von Thrifty das Handbuch zum Auto nicht mitgeliefert haben. Folglich wussten wir nicht einmal, wie wir das Reserverad UNTER dem Auto hervor holen sollten. Wie es der Zufall wollte, kam gerade der Hausmeister vorbei als wir noch nach dem Reifentyp geschaut haben. Trockene Feststellung: „Den müsst ihr wohl wechseln. Braucht ihr Hilfe?“

Und damit hatten wir schon das erste Problem gelöst. Der Hausmeister kam nach einer Weile mit Unterstützung zurück und wir konnten dann zuschauen, wie fünf Leute ein Rad wechselten. Gut, das ist vielleicht falsch formuliert. Der Chef stand daneben und hat zugeschaut. Einer lag unter dem Auto und hat den Wagenheber bedient (ich wüsste immer noch nicht, wo ich den ansetzen sollte...) und zwei haben schon am Rad herum geschraubt. Der jüngste im Bunde war zum Zuschauen und Lernen mit dabei. Ein sehr amüsantes Unterfangen, wirklich. :)

Also hatten wir das Reserverad aufgezogen und das andere, was man wirklich nur noch wegwerfen kann, unter dem Auto sicher verstaut. Sehr schön. Wir konnten dann noch ein bisschen wandern gehen, was den Tag dann eindeutig noch mal verbessert hat. Wir wussten von anderen Rucksacktouristen, dass der Wanderweg World's View unglaublich schön sein sollte, also haben wir den auch in Angriff genommen. 14km in etwas über vier Stunden. Das ist ein guter Schnitt, aber der Weg ist auch verhältnismäßig flach – zumindest, wenn man ihn mit den meisten anderen Wanderwegen in den Drakensbergen vergleicht, die eigentlich alle irgendwo mehrere hundert Höhenmeter am Stück rauf oder runter haben. Wie dem auch sei, die Aussicht auf das Panorama der südlichen Drakensberge ist atemberaubend schön.

Wir hatten aber aufgrund der „kurzen“ Wanderung am Nachmittag noch ein bisschen Zeit. Da wir sowieso noch zu den sogenannten Main Caves, den Haupthöhlen, wollten, haben wir das dann auch noch gemacht und insgesamt etwa fünf Kilometer zu unserem Tagespensum hinzu gefügt. Die Main Caves sind keine richtigen Höhlen sondern mehr Überhänge. Sie sind definitiv einen Besuch wert, denn sie enthalten sehr gut erhaltene und geschützte Sanmalereien. Das ist auch der Grund, warum man nur mit Ticket reinkommt. Positiv ist hierbei, dass man einen Guide zur Seite gestellt bekommt, der einem dann auch noch Einiges dazu erzählen kann. Haken an der Sache: Die Tickets gibt es an der Rezeption des Hotels...

Panorama von Giant's Castle Auf dem World's View Wanderweg Noch einmal das unglaubliche Panorama der südlichen Drakensberge Ausblick von World's View - es hat seinen Namen verdient Sanimalereien: Elands sind hier dargestellt

Nun ja, damit war auch dieser Tag fast vorbei. Wie es der Zufall wollte, haben wir aber noch eine Tanzvorstellung der örtlichen Jugendlichen direkt im Hotel anschauen können. Sie gehören zu einer Gruppe, die traditionelle Zulutänze lernt und vorführt und somit ihren Familien geldtechnisch unter die Arme greifen. Sprich: Trinkgeld war erwünscht, aber nachdem, was und wie lange getanzt wurde, haben eigentlich alle gern etwas gegeben. Es kommt schließlich nicht alle Tage vor, dass man durch Zufall so etwas miterlebt und nicht horrende Eintrittspreise in irgendwelchen „Cultural Villages“ ausgeben muss.

Die Zulutanzgruppe (nein, wir wissen nicht, wie da das weiße Kind reingekommen ist)

Unser letzter Tag in Giant's Castle wurde natürlich auch noch für eine kleine Wanderung genutzt. Dieses Mal stand der Bergview Walk auf dem Plan. Der umfasst nur 5km und nach etwa anderthalb Stunden waren wir auch schon wieder zurück. Während der Wanderung haben wir so einige Tiere zu Gesicht bekommen. Bisher hatten wir Affen und kleine Antilopen gesehen, aber dieses Mal hatten wir sogar das Glück Elands zu sehen. Elands sind auch Antilopen (witzigerweise kann man sie im Deutschen wohl auch Elenantilopen nennen – fiese Kombination an Buchstaben), jedoch recht groß. Bei den San galten sie als heilige Tiere, weswegen sie sehr häufig in den Malereien zu sehen sind.

Ich wusstenicht mal, dass es solche Schilder gibt... Nette Idee, aber an der Umsetzung scheiterte es wohl (Giant's Castle Main Camp)

Nach unserem Tagessoll an Frischluftaktivitäten ging es weiter im Auto um an unseren nächsten Zielort zu kommen. Unterwegs hieß es nochmals Reifen überprüfen (ich hoffe inständig, dass das Reserverad hält und wir keine weiteren Pannen haben werden) und natürlich Tanken. Hatte ich schon erwähnt, dass Tankstellen ein ganz eigenes Flair in Südafrika haben? Zum einen darf man nicht selbst tanken, sondern es gibt einen Tankwart, der sich um alles kümmert, und zum anderen wird immer die Scheibe geputzt. Nach Öl und Wasser wird auch gefragt und auch das Kontrollieren der Reifen ist Aufgabe des Tankwarts. Wenn man also zum ersten Mal an die Tankstelle kommt, ist das etwas gewöhnungsbedürftig, weil man nicht weiß, ob man Trinkgeld geben muss oder nicht (man kann, und es ist auch erwünscht). Abgesehen davon ist es am Anfang schon etwas befremdlich, wenn man mitten in der Pampa als einzige Personen mit weißer Hautfarbe unterwegs ist...

Noch besser wird es dann nur, wenn die Nachmittagsstunden heran sind und sich die Tankstelle zum Dorfplatz entwickelt. Sämtliche Kleinbusse der Region finden sich dann plötzlich ein, auf den Mauern werden Obst- und Gemüsestände aufgebaut und auch ansonsten bekommt man den Eindruck, dass der Zeitpunkt um Klatsch und Tratsch auszutauschen jetzt endlich da ist.

Man gewöhnt sich aber daran und letztlich stellt man auch immer wieder fest, wie freundlich die Leute sind. Die Chancen sind in Südafrika bedeutend höher als in Deutschland, dass einem unerwartet geholfen wird oder man von wildfremden Leuten gefragt wird, wie es einem denn geht.

Auch das gesamte Leben macht einen anderen Eindruck. Natürlich bekommt man als Tourist nicht den besonders tiefen Einblick, aber wir können mit Sicherheit sagen, dass sich das Leben zumindest in den ländlichen Gegenden hauptsächlich auf der Straße abspielt. Da wird Gras für die Dächer geschnitten, gelesen, telefoniert, sich unterhalten, einfach geschlafen, die Kühe und Ziegen gehütet, der Einkauf nach Hause getragen und gespielt. Einfach alles. Sonntags ist das dann auch in entsprechender Sonntagskleidung zu erleben.

Abgesehen davon laufen viele auch sonst gut gekleidet herum, was im krassen Gegensatz zu den für europäischen Standard recht ärmlich wirkenden Häusern steht. Aber man weiß ja nie, wo die Herren und Damen arbeiten. Da muss der eine oder andere schon im Anzug oder Kostüm erscheinen. Wenn man dann nicht den örtlichen Bus nutzt, wird eben gelaufen – und wenn es zwei Stunden pro Richtung zur Arbeit geht. Das ist schon spektakulär.

Die Alternative ist, per Anhalter fahren. Da wird auch bei Touristen mal der Zeigefinger heraus gehalten. Anfangs ist es allerdings schon komisch, weil man ja gewöhnt ist, dass Leute mit Schild am Straßenrand stehen oder den Daumen raus halten. In Südafrika scheint es je nach Region Regeln zu geben, wo man stehen darf und wie genau man ein Auto anhält. Soweit ging unser Reiseführerwissen aber dann doch nicht. Abgesehen davon ist den Leute auch ganz egal, wie sie mitgenommen werden. Es ist nicht ungewöhnlich, die Leute hinten auf der Ladefläche von Pickups sitzen zu sehen, gleich neben der Ziege und dem Bündel Holz. Oder auch hinten auf der überdachten Ladefläche der Geländewagen. Manchmal sind da sogar Bänke eingebaut. Ich glaube kaum, dass der Hersteller das so angedacht hat, aber selbst die Polizei nutzt die Wagen so. Da passen nämlich gestapelt gut und gern um die zehn Leute rein. :)

Aber genug erst einmal von der Kultur, die man so ganz nebenbei erleben kann. Für uns geht es noch ein Stück weiter in den Süden der Drakensberge – und nein, wir haben immer noch nicht genug, weswegen wir den Tipp von zwei Japanern dankend annehmen und uns Richtung Sani Pass aufmachen.

Eine Blume mitten im unter Aufsicht abgebrannten Gebiet